OeNB-Wage-Tracker
Tariflohnwachstum schwächt sich im Verlauf des Jahres weiter ab – beträchtliche Heterogenität der Lohnabschlüsse
Aktuelle Trends des Tariflohnwachstums vom Juni 2025
04.06.2025
Rückgang des Tariflohnwachstums seit dem Jahresanfang
Seit Beginn der Lohnrunde 2024/2025 haben die in den KV-Abschlüssen festgelegten Mindestlohn- und -gehaltssteigerungen tendenziell abgenommen. Die Tabelle zeigt ausgewählte (zumeist für eine größere Anzahl von Arbeitnehmer:innen relevante) Kollektivvertragsabschlüsse der laufenden KV-Runde 2024/25. Dargestellt sind die Steigerungen der Mindestentgelte (bzw. für die Industrie die maßgeblicheren Istlohn-Steigerungen), die den einzelnen Abschlüssen zu Grunde liegende „rollierende Inflation“ und die Abweichung des Abschlusses von diesem Inflationsmaß. (Da die vereinbarte rollierende Inflation in den meisten Fällen nicht bekannt ist, musste sie geschätzt werden.)
Inkrafttreten im Monat | Branche | KV−Steigerung in % | Rollierende Inflation | Anm. | Abweichung | |
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1. November 2024 | Metallindustrie (Istlohn−Steigerung, laut Zweijahresabschluss 2023 | 4,8 | 3,8 | 1,0 | ||
1. Dezember 2024 | Eisenbahnen | 4,1 | 3,8 | * | 0,3 | |
Postbusse | 3,9 | 3,8 | * | 0,1 | ||
1. Jänner 2025 | Öffentlicher Dienst | 3,5 | 3,8 | * | –0,3 | |
Handel | 3,3 | 3,8 | * | –0,5 | ||
Allgemeines Gewerbe | 3,2 | 3,8 | * | –0,6 | ||
Informationstechnologie (IT) | 3,2 | 3,8 | * | –0,6 | ||
Arbeitskräfteüberlasser | 3,8 | 3,8 | * | 0,0 | ||
Güterbeförderungsgewerbe | 4,0 | 3,8 | * | 0,2 | ||
Sozialwirtschaft | 4,0 | 3,8 | * | 0,2 | ||
1. Februar 2025 | Elektrizitätsversorgungsunternehmen | 3,4 | 3,5 | * | –0,1 | |
Mineralölindustrie | 3,4 | 3,5 | * | –0,1 | ||
1. März 2025 | Papierindustrie | 2,9 | 3,3 | * | –0,4 | |
Versicherungen (Innendienst) | 3,4 | 3,3 | * | 0,1 | ||
Versicherungen (Außendienst) | 3,6 | 3,3 | * | 0,3 | ||
1. April 2025 | Privatkrankenanstalten | 3,3 | 3,0 | * | 0,3 | |
Textilindustrie | 3,5 | 3,0 | * | 0,5 | ||
Finance | 3,0 | 2,9 | 0,1 | |||
1. Mai 2025 | Private Bildungseinrichtungen (Mindestlohntarif) | 3,1 | 2,8 | * | 0,3 | |
Hotel− und Gastgewerbe (laut Zweijahresabschluss 2024 | 3,9 | 2,9 | 1,0 | |||
Chemische Industrie | 2,7 | 2,8 | * | –0,1 | ||
Bauindustrie und −gewerbe | 2,6 | 2,8 | * | –0,2 | ||
1. Juni 2025 | Lederwarenindustrie | 2,6 | 2,8 | * | –0,2 | |
Schuhindustrie | 2,6 | 2,8 | * | –0,2 | ||
Quelle: ÖGB, OeNB. | ||||||
Anmerkung: * Da die für die einzelnen KV−Verhandlungen maßgebliche rollierende Inflation meist nicht bekannt ist, musste sie geschätzt werden (rollierende VPI−Inflation 3 Monate vor Inkrafttreten). |
Es zeigt sich, dass die vereinbarten Lohn- und Gehaltssteigerungen im Zeitablauf gesunken sind, ebenso wie auch die rollierende Inflation zurückgegangen ist. Bei den Abweichungen der Abschlüsse von der zu Grunde gelegten Inflationsrate zeigen sich jedoch beträchtliche Unterschiede, wobei der Durchschnitt der hier dargestellten Abweichungen nur leicht positiv ist (+0,04 Prozentpunkte). So gab es in der Metallindustrie und im Hotel- und Gastgewerbe eine positive Abweichung von einem Prozentpunkt. In beiden Fällen sind diese das Resultat von Zweijahresabschlüssen vom November 2023 bzw. vom Mai 2024, in denen vereinbart wurde, dass die Entgelte jeweils im kommenden Jahr um einen Prozentpunkt über der Inflationsrate steigen. Im Handel, im allgemeinen Gewerbe, im IT-Sektor und in der Papierindustrie sind die Abweichungen mit –0,5 bzw. –0,6 Prozentpunkten hingegen deutlich negativ. In der Papierindustrie gibt es eine Zusatzvereinbarung, wonach die Istlohnerhöhung vom Gewinn des jeweiligen Unternehmens vor Zinsen und Steuern (EBIT) für 2024 abhängt. Bei schlechter Ertragslage können die Istlohn-Steigerungen um 0,2 Prozentpunkte geringer ausfallen.
Schwierig gestalten sich derzeit die Verhandlungen in der Elektro- und Elektronikindustrie, deren Abschluss schon überfällig ist, denn dieser Kollektivvertrag tritt üblicherweise Anfang Mai in Kraft. Die entscheidende fünfte Verhandlungsrunde findet hier am 6. Juni statt; der ÖGB hat für diesen Sektor eine Streikvergabe erteilt.
Die Häufigkeit von Zweijahresabschlüssen, die in Österreich im Allgemeinen nicht sehr üblich sind, jedoch in der Hochinflationsphase an Bedeutung gewonnen haben, hat wieder etwas abgenommen. Allerdings wurden solche Abschlüsse für die beiden größten Sektoren, nämlich den Handel und den öffentlichen Dienst vereinbart. Anfang 2026 sollen die Entgelte im öffentlichen Dienst um 0,3 Prozentpunkte über der rollierenden Inflation steigen (2025 lag die Gehaltssteigerung um diesen Betrag unter der Inflation). Für den Handel wurde eine Gehaltssteigerung von 0,5 Prozentpunkte über der rollierenden Inflation beschlossen. Dies gilt allerdings nur, wenn die maßgebliche Inflation bei 2,3 % oder darunter liegt. Falls die rollierende Inflation darüber liegt, fällt der „Aufschlag“ kleiner aus bzw. ab einer rollierenden Inflation von 2,9 % oder darüber gibt es gar keinen Aufschlag. Aus derzeitiger Sicht ist nur mit einem geringen Aufschlag zu rechnen.
Der Wage-Tracker sagt einen weiteren Rückgang des Lohnwachstums voraus
Da die meisten Kollektivvertragsabschlüsse der laufenden Lohnrunde bereits abgeschlossen sind und damit die kollektivvertragliche Abdeckung des Wage-Trackers für heuer relativ hoch ist, lässt sich das Wachstum der Kollektivvertragslöhne für 2025 bereits mit hoher Sicherheit vorhersagen. Der Wage-Tracker ist mit der Linie, die die Entwicklung des Tariflohnindex darstellt, beinahe identisch: Für den April 2025 wird ein Wert von 4,4 bzw. 4,3 % dargestellt. Bis Dezember fällt der Wage-Tracker auf 3,6 %. Im Durchschnitt der Monatswerte ergibt dieser für 2025 einen Anstieg von 3,9 %. (Wahrscheinlich wird der finale Jahreswert für das Tariflohnwachstum noch etwas darunter liegen.) Im Vergleich zum Vorjahr (+8,5 %) ergibt sich jedenfalls ein deutlicher Rückgang des Wachstums der Kollektivvertragsentgelte. Dennoch dürften die Tariflöhne auch heuer real noch deutlich zunehmen. Ab 2026 geht der Wage-Tracker weiter zurück, was ein weiteres Sinken des Tariflohnwachstums erwarten lässt.